Was macht eine Rentnerin eigentlich?

Diese Frage habe ich mir vor einem Jahr gestellt, als mein „Reha-Antrag“ schneller zu einem Rentenantrag wurde, als ich husten konnte. Eigentlich wollte ich noch etwa drei Jahre arbeiten und fühlte mich ausgesprochen wohl in meinem Beruf. Allerdings machte mir die Krankheit einen Strich durch die Rechnung und es gab keinen passenden Arbeitsplatz für mich in meiner Einrichtung.

Ja, was macht eine Rentnerin? Eine, die plötzlich mit körperlichen Einschränkungen und Schmerzen lebt? Eine, die gerade eine Scheidung hinter sich hat und es üben will, alleine zu leben und dabei saugut zurechtzukommen?

Bei meiner Verabschiedung wurde betont, dass man zwar in Rente gehen kann, aber niemals zu Hause auf dem Sofa bleiben sollte, sich unbedingt neue Aufgaben suchen müsste. Oh je, in meiner Abschiedsrede rutschte mir raus:“Ich genieße es sehr, nichts mehr zu müssen. Eigentlich fühle ich mich auf meinem Sofa gerade sehr wohl.“

Ja, so war es auch. Meine Wohnung und das Sofa gaben mir Sicherheit. Plötzlich nichts mehr müssen. Mich nicht mehr um Zeugnisse, Förderpläne, Stundenpläne, Jahrespläne, Schüler, Eltern, Schulbegleiterinnen und Kollegen sorgen und kümmern müssen. Meine Familie war ja auch irgendwie abhanden gekommen und die Kinder erwachsen mit einem eigenen Leben. Nur noch ich und meine Befindlichkeiten. Vom alten Leben war nun nichts mehr übrig und mein Selbstbewusstsein verabschiedete sich für eine Weile, lag im Bett und trank Tee, während folgende Fragen beantwortet werden wollten und sollten:

Werde ich mit dem Geld auskommen? Kann ich meine Miete zahlen oder muss ich mich nach einer kleineren Wohnung umsehen? Kann ich noch lange Zeit selbständig leben oder würde sich die Krankheit verschlimmern? Halte ich das Alleineleben ohne Beruf aus? Habe ich noch einen Status? Gehöre ich noch dazu? Wohin gehöre ich? Was ist wichtig? Was tun Rentner eigentlich?

Ich meldete mich erst einmal in der Volkshochschule an: „Einführung in die Philosophie“ und „Qigong am Vormittag“. Beides fremd, aber es waren noch Plätze frei. Plötzlich fand ich mich in einer Gruppe vorwiegend alter Leute wieder. Eigentlich war ich darüber doch sehr empört! Bis ich es ertrug mir einzugestehen, dass ich tatsächlich hier richtig war und dazugehöre, dauerte es eine Weile.

Ich kaufte mir einen guten Fotoapparat, um all die schönen Dinge festzuhalten, die mich umgaben. Um nicht in grauer Trauer zu versinken. Ich lernte, aus Fotos DVDs mit Musik herzustellen. Ich malte und zeichnete ab und zu. Ich las furchtbar viel. Und ja, natürlich, das Fernsehen…. Geschenkt. Ach ja, im Blog zu schreiben und Blogs zu lesen (sagt man das so?) ist ja auch was ganz neues! Zeitintensives! Erfreuliches! Ich grüße Euch ganz lieb!

Ich hörte auf mich zu fragen, wozu ich etwas mache. Wem es nützt und ob es wichtig ist. Das war mein Durchbruch zu einer fast erfolgreichen Rentnerin!

Ja, ich genieße es jetzt, nach meiner eigenen biologischen Uhr zu leben. Es ruhig angehen zu lassen. Mich nicht mehr zu messen und zu vergleichen. Die Philosophie ist mein neues Hobby geworden, ich lese und lerne ganz viel und bin in einen Kulturverein eingetreten. Dort werden ab und zu Philosophie – Wochenendseminare angeboten und ich habe vor, mich dort später einmal aktiv einzubringen. Ideen dazu wachsen. Ein Nachhilfeschüler fand den Weg zu mir und ich freue mich, in alten Kisten zu kramen, mein Unterrichtsmaterial neu zu nutzen. Vielleicht suche ich noch nach ein/zwei anderen Schülern. Vielleicht aber auch nicht. Im hiesigen Heimatkundlichen Verein werde ich ab August vielleicht Aufgaben finden, die ich erledigen kann. Mal sehen, der erste Termin ist schon mal verabredet.

Ich mache vieles nicht, was andere Rentner und Rentnerinnen machen. Ich brauche ganz viel Zeit für mich. Die Frage, ob ich zu faul bin, stellt sich mir gerade nicht. Wenn ich mir zu langweilig werde, werde ich schon nach neuen Aufgaben und Abenteuern Ausschau halten. Davon bin ich überzeugt.

 


25 Gedanken zu “Was macht eine Rentnerin eigentlich?

  1. Ein alter GEDANKE von mir hier zum Thema:
    ___

    Alternativer Alltag

    Dein ALLTAG
    muss nicht immer
    a l l t ä g l i c h sein …

    T a g t ä g l i c h
    neuerliches DENKEN und HANDELN
    versetzen andere
    über deinen TAGESABLAUF
    in ERSTAUNEN …

    INHALTE, ZEITABFOLGEN und FORMEN
    prägen deine PERSÖNLICHKEIT täglich;
    aber erst deren kreative VIELFÄLTIGKEIT
    lassen auf Dauer
    die ALLTÄGLICHKEITEN verkümmern !
    ___
    (C) PachT 2011 – 222. Tagebucheintrag

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    1. Danke für deine Einschätzung. Einiges fehlt mir noch, aber ich bin auf dem richtigen Weg, denke ich.

      Manchmal vergleiche ich eben doch, was andere Rentnerinnen tun: reisen, ausgehen, tanzen, Sport, Vereine, Lesepatenschaften, Flüchtlingshilfe und noch mal reisen. Theaterbesuche, Kultur, Wanderungen, Enkelkinder, Familie, Freunde….. Und mit dem Aufblühen ist das auch so eine Sache. Im Moment kann ich das mit Sicherheit mental, aber körperlich leider nicht bestätigen.

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      1. Du bist ja auch Renterazubine……und davon abgesehen….ich würde nicht mal halb soviel schaffen….Dass es Dir gesundheiltlich schlecht geht scheint dich nicht abzuhalten….und das finde ich große Klasse und Mutig.

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      2. Liebe Gertrud, ich sehne mich so nach Bewegung, nach meinen Wanderungen und langen Spaziergängen. Ich wünsche mir so sehr, einfach los zu marschieren, so wie früher. Es wäre auch schön, wenn ich mal wieder anmutig und lächelnd durch die Stadt gehen könnte, statt wie eine Ente mit steifen Beinen zu watscheln, dazu so ein verkniffenes Gesicht….. Ich denke dann häufig, ich muss mich nur zusammennehmen, dann wird es schon. Falscher Gedanke! Daher kommt vielleicht auch meine Unzufriedenheit, die mich manchmal befällt. Es ist klar, dass ich keine Städtetour unternehmen möchte, wenn jeder Schritt weh tut! Ich sollte zufrieden sein, dass ich überhaupt noch gehen, stehen, Treppe steigen und meinen Haushalt versorgen kann. Ich danke Dir für Deine Aufmunterung! Übrigens nehme ich jetzt die vielen Menschen wahr, die Schmerzen beim Gehen haben, die sich so langsam mit Gehhilfen fortbewegen. Dafür war ich früher blind. Ist denn das zu fassen?
        Liebe Grüße von einer lernfähigen Rentnerazubine!
        PS: Ob Du nur halb so viel schaffen würdest, wage ich zu bezweifeln!

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  2. Jaaaa das ist so eine Sache mit dem Rentendasein….das wissen wir spätestens seit Loriots „Pappa Ante Portas“.

    Und dann noch früher als erwartet dort hinein zu rutschen nochmal mehr.

    Ich werde demnächst auch eine Reha antreten und dort genau herausarbeiten wieviel ich in Zukunft belastbar sein werde….fühlt sich irgendwie….äh….nicht so toll an….weil viel zu früh, schließlich hätte ich noch einige Jährchen an Erwerbstätigkeit zu absolvieren, bevor es dann in den regulären Ruhestand geht.

    So fordert uns das Leben immer wieder neu dazu auf genau hinzuschauen und immer wieder neu die Weichen zu stellen….

    Und wenn ich das so lese machst Du das ganz toll! Deinen eigenen Rhythmus finden in dem Du Dich selbst einfindest, bevor Du Dich zu sehr an Äusserem verausgabst….schönes Foto übrigens 😉

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    1. Ich danke Dir für die positive Rückmeldung! Den eigenen Rhythmus zu finden, dabei geduldig zu bleiben und auf mein Bauchgefühl zu hören, daran arbeite ich noch. Zu oft kommt mir der innere Antreiber in die Quere. Für den muss ich unbedingt eine neue Aufgabe finden.
      So einen neuen Neuanfang wie in den letzten beiden Jahren habe ich vorher noch nie erlebt. Und keiner da, der sagt, wie und was ich machen soll….ist schon eine Herausforderung……und eine große Chance. Als erstes habe ich mir verboten zu denken:“Ich habe es nicht geschafft. Es ist nicht der wohlverdiente Ruhestand, von dem alle reden.“ Was für ein Blödsinn, oder?

      Eine Reha, so wie Du sie vor Dir hast, absolvierte ich vor ein paar Jahren auch. Wirklich kein tolles Gefühl, wenn man merkt, es geht nicht mehr so, wie man es plante. Die Weichen neu zu stellen ist im ersten Moment meist ja nicht beliebt, kann aber hochwirksam sein, wenn es dann wieder in die richtige Richtung geht. Ich wünsche Dir nette Mit-Suchende, qualifizierte Unterstützende, leckeres Essen, eine schöne Umgebung, Erholung und gute Ergebnisse, mit denen Du etwas anfangen und hoffentlich doch auch noch im Berufsleben bleiben kannst.

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      1. Danke Dir 🙂 das ich im Berufsleben bleiben werde ist mir klar – es fragt sich nur derzeit wieviel Prozent es sein werden….

        Den „wohlverdienten“ Ruhestand….gibt es den überhaupt noch heutzutage?

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  3. Hallo.

    Rente erwartet mich jetzt auch; der Bescheid liegt vor: Rente mit Abschlag – oder doch mit Anschlag?
    Das elende Hartz IV…

    Den Übergang muß ich nun überbrücken: Rente wird rückwirkend und Hartz IV im voraus gezahlt.

    Das Phänomen des finanziellen Engpasses ist bekannt und man kann ein Darlehen… ähhh; ich nenne es einmal „erwirken“…

    Und weil ich ja eine „exorbitant hohe und nicht ohne weiteres einsehbare Nebenkostenabrechnung hatte“ ; so mein Anwalt, kommen Drohungen vom Amt… Mit einem Schlag ist die amtlich zuvor abgenickte Wohnung „nicht mehr angemessen“.

    Wie ich damit umgehe? – Eher geht es mit mir um. – Ein „unterernähren Sie sich redlich“ wäre eine schlechte Perspektive…

    Tja… Und dabei hatte ich mich vorher so schön…

    Und wieder einmal zeigt mir das Leben, daß es täglich…

    Und das mache ich zur Zeit.

    Liebe Grüße,
    Frank

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    1. Hallo Frank, Rente aus dem Hartz IV zu bekommen ist noch weit schlimmer als aus dem Krankengeld. Ich kenne das „Überbrücken“ und weiß noch genau, wie schlecht es mir in dieser Zeit ging. Vielleicht hast Du auch nicht so ganz freiwillig den Rentenantrag gestellt? Ich kann mir gut vorstellen, wie es Dir gerade geht, so viel Unsicherheit und dazu das Gefühl, das eigene Leben selbst nicht mehr in der Hand zu haben. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und vor allen Dingen, dass Du Deine Wohnung behalten kannst und wieder auf die Beine kommst!

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      1. Hallo.

        Ich hoffe sehr, daß dieser „Kelch des Überbrückens“ an mir vorübergeht.

        Da kann man bald besser hungern.

        Zum Beantragen der Rente bin ich natürlich aufgefordert worden.

        Zum großen Glück habe ich einen Sohn und echte Freunde.

        Vielen Dank für Deine mitfühlenden Zeilen!

        Liebe Grüße,
        Frank

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  4. Mach weiter so, das hört sich verdammt gut an. Und deine Krankheit soll bitte im Hintergrund verschwinden, sag ihr das bitte von mir!
    @ Gertrud: Renterazubine finde ich genial, das merk ich mir. Ich übe jetzt mal 2 Jahre Alters-Freizeit 🙂 .

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    1. Ja, toll Rentnerazubine und Alters-Freizeit! Danke für die schöne Rückmeldung. Ich arbeite daran, die Krankheit nicht so wichtig zu nehmen und mich mit den Einschränkungen abzufinden. Manchmal ist es anstrengend, aber machbar. Ich habe nun mein erstes Lehrjahr erfolgreich bestanden. Du fängst frisch mit der Ausbildung „Mit Lust und Freude in die Rente, Teil eins der Alters-Freizeit“ an und dazu schicke ich Dir eine mentale Schultüte mit tollen Überraschungen! Hast Du Dein Arbeitszimmer schon ausgeräumt?

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      1. Danke, liebe frauholle 🙂 .
        Mit dem Arbeitszimmer bin ich so weit, dass ich alle nicht mehr nötigen Ordner und Bücher in die Schule geschleppt habe. Was jetzt kommt, ist Feinarbeit für Regenstunden…

        Mittwoch ist offiziell unser letzter Tag, Schuljahresausklang und einige Verabschiedungen (u.a. meine) und dann sind Ferien 🙂 .

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  5. Eben gefunden, den Artikel. Ich hoffe, du bist nach wie vor mit deinem Rentnerdasein im Reinen 😀 ich selbst bin krankheitsbedingt (Multiple Sklerose) auch schon seit zwei Jahren in Rente. Wenig Geld (das war aber schon früher nie mein Problem, ich habe nie viel verdient, und war immer eine Meisterin darin, mit dem Wenigen gut leben zu können), dafür ganz viel Zeit für mich und das was ich tun will. Und niemand mehr, der was will, und dem ich das dann geben muß, weil er mein Brötchengeber ist. Jeden Tag, wenn ich aufstehe (nicht vor zehn Uhr im Idealfall 😉), freue ich mich über das Rentnerleben.
    Beste Grüße 🙋
    Bettina

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    1. Hallo Bettina, Zeit für sich zu haben ist ein so großer Luxus. Nach der ersten Schockstarre habe ich mir ganz viel davon genommen, um herauszufinden, was ich nun eigentlich selbst will. Ich bin bei der Philosophie gelandet und habe eine kleine Gruppe Gleichgesinnter gefunden. Ich bin zum Schreiben gekommen und habe jetzt auch meinen eigenen Blog https://frauholle52site.wordpress.com/ So kommt dann eins zum anderen. Mein Rentenleben nimmt Fahrt auf und ich genieße es so, meinen eigenen Rhythmus gefunden zu haben. Ich frühstücke morgens im Bett und lese die Zeitung, bis ich Lust habe, aufzustehen. Mit wenig Geld muss ich auch auskommen, was ich nicht so schlimm finde, solange ich mir meine Miete leisten kann. Deine Zeilen lesen sich so positiv und sie zeigen mir, dass man auch mit einer schlimmen Krankheit ein gutes Leben haben kann. Liebe Grüße und ich besuche Dich demnächst in Deinem Blog. Mal sehen, was sich noch für Gemeinsamkeiten finden! Regine

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